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Italiens Wein-Mode(n)
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Der Stilwandel der 90er Jahre:
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Die folgenden Probennotizen und Bewertungen stammen aus drei unabhängig voneinander durchgeführten Proben, die jeweils mehrere Jahrgänge ein- und desselben Weins zum Gegenstand hatten. Die gemeinsame Fragestellung, unter denen diese drei Vertikalen hier zusammengestellt werden, lautet: Welche stilistischen Veränderungen haben die zur Debatte stehenden (durchaus repräsentativen) cru-Typen in der Zeitspanne zwischen Mitte der achtziger und Ende der neunziger Jahre erfahren?

Bei den verkosteten Weinen handelt es sich um drei besonders namhafte Etiketten: den Barbera d'Alba aus der Barbaresco-Lage "Rabajà" von Bruno Rocca aus dem Piemont, um den Nobel-Sangiovese "Fontalloro" der Fattoria di Felsina in Castelnuovo Berardenga im Chianti classico-Gebiet/Toskana, sowie um die Kult-Cuvée aus Bordeaux-Sorten "Ornellaia" der Tenuta dell' Ornellaia in Bolgheri in der Maremma/Toskana.

Auffällig während aller drei Vertikalen war für mich, dass anfangs der neunziger Jahre eine recht merkliche Veränderung der Weinstile eingesetzt hat. Grob verallgemeinernd, könnte man vielleicht folgendes Fazit ziehen: Die Weine sind im Lauf der 90er Jahre immer harmonischer geworden. Sie nähern sich in ihren Proportionen einem gewissen Stil-Ideal an: viel Körper, hohe Dichte, weicher Gerbstoff. Jahrgänge wie 1985 und 1988 zeigen hingegen - wenn man so sagen kann - die Ästhetik der "alten" önologischen Schule auf ihrem Höhepunkt: Die eine oder andere technische Unebenheit gleichen diese Weine durch Eleganz und Tiefe aus - und die geradezu intellektuelle Herausvorderung, die es bedeutet, ihren markanten Eigenarten nachzuschmecken.

Die Fontalloro-Probe fand am 19. Oktober 2001 im Hause Pawlouschek in Hamburg statt. Vielen Dank dem gastgebenden Ehepaar.
Die Vertikale des Barbera von Bruno Rocca richtete Mario Zini in seinem Restaurant "La Scala" in Hamburg aus - am 11. Februar 2002. Vielen Dank an Mario und sein Team.
Die Verkostung der zehn Jahrgänge Ornellaia fand am 15. März 2002 auf der Tenuta dell' Ornellaia in Bolgheri statt - wenige Tage vor der Bekanntgabe des Verkaufs der Tenuta an Robert Mondavi. Danke allen, die den Anlass ermöglicht haben.


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Bruno Rocca - Rabajà, Barbaresco: Barbera d'Alba DOC
Jahrgang Verkostungsnotiz Wertung Bemerkungen
1997 Rubinfarbener Kern. Sehr viel Kirsche, ein wenig Holz. Gäraromen, artifizielle Frucht. Saftiger, leicht grüner Gerbstoff, dichter Bau. Kompakt, körperreich. Bittermandel-Rückaromen, milde Säure. Sehr "international". 15 Gambero rosso 2 Gläser
1996 Sehr farbdichter Rubinton. Irritierende Nase: Bleistift, leichter Kork? Ruppiger Auftakt, grüne Komponenten, monolithisch und rustikal. Schwer zu beurteilen, eventuell ein Flaschenfehler. o.B. Gambero rosso 1 Glas, Veronelli 2 Sterne
1995 Rubinrot. Sehr saubere, mineralische Kirschnase. Mit Luftkontakt leichte Gumminote. Mittelgewichtig am Gaumen, geradlinig und elegant. Passender, integrierter Nerv, nur noch eine Ahnung von Holz im Angang. Ein balancierter, jetzt sehr harmonischer Wein. 15,25  
1994 Im Kern sehr farbtief. Intensiver Holzton (Coca Cola), Graphit, Bleistift, Amarena-Kirsche, Brotrinde. Sehr intensives Bukett. Am Gaumen füllig, ausgewogen, dezente Säure. Saftiger Gerbstoff, fruchtiger Nachhall. 15  
1993 Sehr viel karamell-dftendes Holz. Üppige, etwas aufgesetzt wirkende Süßkirsch-Frucht. Leicht brandig. Saftiger Stil, relativ hartes, leicht grünes, recht körniges Tannin. Mit Luft Gumminoten. 13  
1992 Breiter heller Rand. Verhaltene Würze, Kamille. Auch einige gemüsige Noten. Laktisch. Mit Luftzufuhr besser: Helle Kirschen, Schoko. Guter Nerv, süßer Extrakt. 14  
1991 Rubinton. Sauerkirsch, saure Dickmilch. Nougat, Zimt, auch animalische Holznoten. Dichter, geschmeidiger Körper. Kompakt, gut extrahiert: das Tannin zeigt weiche Reife. 14,5  
1990 Rubinfarben. Anfangs sehr bedecktes Bukett. Teer, Kaffee, Räucherfleisch. Nussige Holznote. Dann mehr und mehr terroir-Würze. Auch laktische Noten. Reife Frucht. Am Gaumen wuchtig: öliger Körper, feiner Gerbstoff. Der Wein wirkt trotz seiner Opulenz kompakt. Ein muskulöser Typ, stilistisch auf halbem Weg zum Amarone. 16,5  
1989 Heller Rand. Anfangs sehr vegetabil, lauchig. Leichte, nach 20 Minuten sogar deutliche Verbesserung im Glas: Karamell-Noten. Am Gaumen breit, trocknend durch Alkohol und Tannin. Der Nerv ist noch vif, Substanz ist vorhanden, aber insgesamt wirkt der Wein wenig harmonisch. 13,5  
1988 Orangetönig unterlegtes Rot, ziegelrote Reflexe. Unmittelbar nach dem Eingießen: sehr bedeckt. Dann öffnet sich rasch ein komplexes Bukett: Orangenblüte, Schoko, Trüffel, Röstnoten. Immer klarer werdende frucht. Am Gaumen sind Körper und Säure noch gut ineinander integriert. Reifer Gerbstoff, weicher, ölig-alterssüßer Fond. Toller Reifezustand. 15,75  
1987 sehr reduziert: Gemüsesuppe. Aber auch etwas Kirsche ist noch präsent. Hart und dünn, extreme Säure. Noch nicht gerade passé, aber kein vergnügen. 12,5  

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